Seine Antwort erinnert Melanippe an seinen anderen Stoßseufzer: Unser eifriger Gast wundert sich über Dines langen Namen.
Adonis staunt, mit “Wirbel” noch einen weiteren Namen zu hören: Mich wundert nicht nur die Länge, ich frage mich auch, warum eine Amazon bei euren Erfahrungen mit den Ellenes einen onoma ellenikos trägt?
Den griechischen Namen erklärt Melanippe so: Eigentlich lieben wir sprechende Namen. Dann wurden immer mehr Ellenes Nachbarn. Von ihnen lernten wir die Sprache. Ihre Namen wurden Mode. Zu meiner Tochter schien mir Perithymone zu passen.
Das Gespräch läßt Marpesia in die griechische Sprache zurückfallen: Unsere ungebärdige Prinzessin kommt ganz auf Vater und Mutter. Schon als kleines Kind wehrte sie sich gegen alle Gewohnheiten, besonders gegen die Vorsicht der Großen. Melanippe träumte, wie jede junge Mutter, von einer Tochter mit viel Gemüt, Verstand und Lebenskraft …
Zur Freude von Melanippe greift Adonis seine alte Übung wieder auf: … und einen umfassenden Geist und eine große Seele. Dazu Entschlußkraft, Gedankenfreudigkeit und Mut. Und bei ihrem Namen dachtest du an ihre Großmutter, die sich in der Welt umtut!
Melanippe fühlt sich von dem Überschwang der Beiden auf den Arm genommen: Man kann den Namen eines Kindes zum Zeugnis einer Liebe machen. Wir nennen Kinder gern nach ihren Eigenheiten. Die lernt man erst später kennen. So wechseln die Namen schon mal.
Die Großmutter schwelgt in Erinnerungen: Perithymone lernte früh laufen. Bald wandelten deine Freunde ihren Namen in Peridineis ab, weil sie mit soviel Leidenschaft umherwirbelte.
Adonis kämpft sich durch seine Eindrücke: Ich kenne sie zwar erst wenige Tage …
Marpesia nimmt ihr altes Spiel auf: … die reichen aber, den schwer zu bändigenden Willen zu erahnen? Großmütter sind Wildfängen gegenüber häufig nachsichtiger als Mütter.
Melanippe lächelt ihrer Mutter zu: Für dich ist sie Dine, und ihre Freundinnen rufen nur Peri.
Das “überall herum, über alle Maßen” scheint Adonis stimmig: Peri gefällt mir. Mir scheint sie von dem kaum zu stillenden Verlangen getrieben, auszugleichen.
Melanippe fragt mehr sich als ihn: Woran machst du die Ausgeglichenheit fest? Wir empfinden sie und uns wenig ausgelichen. Doch wir bemühen uns darum!
Marpesia lächelt verschmitzt: Wenn man ausgeglichen sein kann, muß es etwas geben, was auszugleichen ist. Aber es stimmt, Dine sucht oft nach dem Ausgleich. Jeder balanciert natürlich, ohne daß es ihm bewußt ist. Erst im Alter spürt man, wie sehr aufrecht gehen und ausgleichen zusammengehören. Dabei wir sind ja auch nicht das Ideal der Welt!
Melanippe lacht über die Spitzfindigkeiten: Für mich bedeutet ausgleichen, zwischen Polen vermitteln, Extreme vereinen. Deshalb sehen wir mehr das Gemeinsame …
Adonis fällt ein: … der Völker und Geschlechter. Das Letzte bereitet den Ellenes wohl Probleme. Würden sie euch sonst als knochenbrechende Männerhasser darstellen.
Melanippe grübelt laut: Frauen, die in einer von Männern beherrschten Welt leben, müssen lernen, besonders gegen solche Männer zu bestehen, die nur eins wollen, angreifen.
Adonis versucht sich in das Leben der Amazonen hineinzudenken: Ich glaube, Männern fällt es schwer, die Geschlechter ausgeglichen zu sehen. Herrschen ist einfacher.
Marpesia hakt sofort nach: Unser Verhalten verstehe ich nicht als weibliches Prinzip, sondern als Antwort auf Unterdrückung. Um dem vorzubeugen, haben wir zwei Königinnen.
Dabei fällt Adonis ein: Man kann auch sich selbst unterdrücken, sich nicht alles erlauben. Damit bietet Ausgleichen größere Freiheit. Ich bin neugierig auf eure Realität.
Melanippe entschuldigt sich: Was die Freiheit angeht, unsere Kampfkönigin kann ich dir leider nicht vorstellen. Sie macht gerade ihre Runde bei der Verwandtschaft. Denn selbst wenn es ruhig ist, heißt das ja nicht, daß man in Ruhe gelassen wird. Wenn bei den Nachbarn nur auf die Ehre gesehen wird, ist man sich nie sicher.
Adonis erinnert das an eigene Erlebnisse: Auf Ehre zu starren, bringt nur Streit. Die Ellenes zwingt es in den Bruderkrieg. Doch sie sind damit nicht allein. In allen Ländern an der Thalatta wird die “Ehre” hochgehalten.
Marpesia staunt: Ich hatte nie den Eindruck, Ehre und Moral bedeuteten dir besonders viel.
Aus Adonis platzt heraus: Moral ist für die andern! Für Leute, die Vorschriften brauchen! Was meinst du, weshalb so viele Phoinikes sich auf die Schiffe verzogen haben.
Nachdenklich murmelt Melanippe: Von euch weiß ich zu wenig. Ihr schreibt ja nicht soviel über euch, wie die Ellenes. Was Moral betrifft, möchte ich keine Frau in Ellas sein. Sie wird zuerst nach ihrem Nachwuchs beurteilt. Dabei sind am Menschen alle Fähigkeiten wichtig!
Nachdenklich murmelt Marpesia: Nichtachtung scheint mir zwar unerträglich. Doch noch mehr stören mich die Finten, zu denen Ignoranten ihre Frauen drängen.
Deren Benehmen ärgert auch Melanippe: Wenn die glauben, ihr Verhalten würde von ihren Frauen als selbstverständlich hingenommen, müssen sie weniger Geist besitzen, als sie glauben. Dann nehmen sie einfach nicht wahr, welche Hölle sie sich selbst bereiten.
Adonis nickt: Ich bin zwar auch ein Mann. Aber was ihr sagt, kann ich nachvollziehen. Mich nehmen die Technites der Ellenes für sich ein, die einem den Spiegel vor Augen halten.
Marpesia und Melanippe sind von den Künstlern ebenfalls angetan: Nur das Verhalten mancher ihrer Andres kann solche Technites hervorbringen. Sie schaffen es sogar, trotz wenig angenehmer Beobachtungen, wahrgenommen, ja sogar geehrt zu werden!
Diese Beziehung von Männern und Künstlern gefällt Adonis: Von manchem wüßten wir nichts, hätten es die Technites nicht an ihren Zeitgenossen entdeckt und aufgeschrieben!
Beide Frauen freuen sich darüber, daß sie sich entschlossen hatten, diesen “Mann” auf seine Reise vorzubereiten.